Der Dominikanerkonvent "Maria Rotunda" befindet sich im Herzen Wiens.
Nur drei Häuser des Dominikanerordens haben alle Stürme, Krisen- und Kriegszeiten seit ihrer Gründung zu Beginn des 13. Jahrhunderts ununterbrochen und unaufgehoben überstanden: Dubrovnik, Krakau und Wien. Während bei Krakau und Dubrovnik immer der mittelalterliche Kern des Klosters deutlich sichtbar gewesen war, hatten wir in Wien immer gedacht, dass in der Barockzeit das alte Gebäude mehr oder weniger völlig abgetragen worden sei – bis bei der Renovierung des Kreuzganges die äußeren Putzschichten abgeschlagen wurden und darunter die mittelalterlichen Mauern zum Vorschein kamen. Nun wissen wir, dass nicht nur die Tradition am Ort ununterbrochen ist, sondern dass auch das Haus selbst im Kern noch mehr oder weniger aus der Gründungszeit stammt.
Von Herzog Leopold VI., dem „Glorreichen“ aus dem Geschlecht der Babenberger wissen wir, dass er am sogenannten Albigenserkreuzzug in Südfrankreich teilgenommen hatte. Die hübsche Legende, dass er dabei Dominikus persönlich kennen- und schätzengelernt habe, ist genauso wahr, wie die Begegnung des Franziskus mit Dominikus. Jedenfalls holte Leopold die Dominikaner um 1226 nach Wien in seine Residenzstadt und wies ihnen ein Hospiz in der Bäckerstraßenvorstadt als Bleibe zu, einer Kaufmannsiedlung zwischen Wienfluss und Stadtmauer – die damals in der
Gegend der heutigen Rotenturmstraße verlief. Da der Orden selbst erst 1216 in Toulouse gegründet worden war, gehört die Wiener Niederlassung zu den ältesten Klöstern der Predigerbrüder. Letztlich spiegelt diese Klostergründung sowohl das aufstrebende Wachstum der jungen Ordensgemeinschaft wieder, wie die Wirtschaftskraft und die steigende Bedeutung der Stadt Wien.
Nach der Ankunft der Mitbrüder konnte der geregelte Klosterbetrieb sehr bald aufgenommen werden. Das erste Interesse der Gemeinschaft galt dem Ausbau der Gottesdienststätte: Die Kapelle, die an das Hospiz angeschlossen gewesen war, war viel zu klein für ihre Zwecke. Erst als der Bau der neuen Kirche fertiggestellt war, fingen die Dominikaner mit dem weiteren Ausbau des Konventsgebäudes an. Zwischen 1290 und 1300 war das Klostergrundstück, das ursprünglich nur die Gebäude um den Kreuzgang umfasste, bis vor zum Stubentor arrondiert. Im 14. Jahrhundert nahm man die Erweiterung des liturgischen Raumes durch einen neuerlichen Kirchenbau in Angriff, einer großen gotischen Hallenkirche. Das Kloster wuchs, blühte und gedieh. Dabei verhalf ihm vor allem die enge Anlehnung an die Familie der Habsburger schon im 13. Jahrhundert zu einem gesicherten finanziellen Lebensunterhalt. Kaiser Rudolf I. hatte 1278 den Dominikanern gestattet, täglich eine bestimmte Menge Holz umsonst aus dem Wienerwald holen zu dürfen. Darüber hinaus erneuerte er das Privileg des Passauer Bischofs für den kostenlosen jährlichen Bezug einer großen Menge Salz aus den Salinen in Gmunden. Beide Privilegien wurden von seinen Nachfolgern bestätigt und erweitert – die aus dem Salzprivileg hervorgehende Verpflichtung wurde erst von der 1. Republik durch eine einmalige Zahlung abgelöst.
Als Herzog Rudolf IV. 1365 die Universität stiftete, nahmen die Dominikaner auch daran vermehrt Anteil und stellten sowohl Mitglieder des Lehrkörpers als auch viele Studenten. Übrigens hatten die Dominikaner schon über hundert Jahre vorher mit der Einrichtung eines eigenen Ordensstudiums begonnen. Die Tradition des Dominikanerstudiums ist älter als die der Universität und reicht ungebrochen von der Mitte des 13. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, um Ende des 19. Jahrhunderts noch einmal zu einer kurzen Blütezeit zu kommen.
Eine schwere Zäsur in dieser Erfolgsgeschichte setzte das 16. Jahrhundert, so tief, dass es für die Wiener Dominikaner fast bis an die Wurzeln ihrer Existenz ging. 1529, bei der ersten Türkenbelagerung, wurde die Klosterkirche von den Wienern zum größten Teil abgetragen, um Baumaterial zur Verstärkung der Stadtmauer zu gewinnen. Der den Abriss überlebende Kirchenstumpf bot nach einer erhaltenen Stadtansicht aus dem beginnenden 17. Jahrhundert einen reichlich traurigen Anblick. Von Kaiser Maximilian II. ist der Ausspruch überliefert, die Dominikanerkirche sei ein „gar übel akkomodiertes Örtl“ gewesen.
Nicht nur die Schäden der Türkenbelagerung hatte das Ordenswesen in Wien schwer erschüttert. Die Reformation hatte in Wien Einzug gehalten. Die Klöster waren allgemein schwach besetzt, die verbliebenen Konventualen boten den Angriffen der lutherischen Prediger oft genug reiche Angriffsziele. Im Dominikanerkonvent sah es nicht anders aus. Für 1535 sind vier Konventualen und ein Prior bezeugt. Es war nicht verwunderlich, dass Maximilian II. große Teile des Klosters schließlich beschlagnahmte und darin eine Schule unterbrachte, in der die Jugend des niederösterreichischen Adels auf das Universitätsstudium vorbereitet werden sollte. Diese Jahre waren unbestreitbar der Tiefstpunkt unserer Hausgeschichte.
Erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts ging es wieder aufwärts; die Zahl der Mitbrüder nahm stetig zu, ebenso die Strenge des Ordenslebens. Entscheidend für den neuerlichen Aufstieg war aber wiederum die Freundschaft mit der Dynastie: Die Kaiser Matthias, Ferdinand I.-IV., Leopold und Josef I. förderten den Konvent nicht nur mit Privilegien; unter anderem gaben sie den Dominikanern auch den beschlagnahmten Komplex am Stubentor zurück. In diese Jahre des Wiederaufbaus fiel der völlige Neubau der Kirche und die Barockisierung des Klosters. Der mittelalterliche Kern des Hauses wurde umgebaut, die Gebäudeteile am Stubentor niedergerissen und barock wieder errichtet. Konvent und Kloster erlebten den zweiten Höhepunkt ihrer Geschichte.
Die Regierungszeit Josephs II. brachte für die Wiener Dominikaner nicht den dramatischen Einschnitt, wie für viele andere Klöster. Als sie aufgehoben werden sollten, antichambrierte der Prior tagelang, bis er schließlich vor den Kaiser vorgelassen wurde. Das Kloster blieb bestehen – weniger wegen seiner Bedeutung für Wien, als vielmehr, weil es sich nicht zum Umbau in Kanzleien oder in ein Studentenheim eignete.
Nach Joseph II. versank der Konvent sicherheitshalber in einen Dornröschenschlaf. Erst 1849 begann wieder eine Zeit größerer Aktivität, geprägt durch Umbauten in Kirche und Kloster, eine steigende Zahl an Mitbrüdern und eine verstärkte wissenschaftliche Tätigkeit, Predigt und Seelsorge. Wie für Wien insgesamt so war auch für die Dominikaner in Wien die Zeit Franz-Josephs eine Glanzzeit, multinational und multikulturell – und die Neuordnung des Landes nach 1918 dementsprechend ein spürbarer Einschnitt. Die Dominikaner brauchten Jahrzehnte, um sich davon zu erholen; der Druck des Nazionalsozialismus und des 2. Weltkrieges war einer schnellen Entwicklung zu neuer Prosperität nicht förderlich. Heute haben sich die Zeiten wieder gebessert – Zeichen dafür ist die Renovierung der Klostergebäude, die seit einigen Jahren im Gange ist, schließlich beweist sie, dass es trotz aller Sparpakete heute möglich ist, alte Mauern zu renovieren, einfach nur, um mittelalterliche Bausubstanz und Kunstwerke zu erhalten und den Kunstwillen vergangener Generationen zu erforschen.
Neben seiner Funktion als Denkmal für eine lange Haustradition und die Geschichte der Dominikaner in Wien ist unser Kloster aber noch in einer anderen Hinsicht ein „Denkmal“: Ohne herzliches Willkommen und freundliche Aufnahme von der Bevölkerung Wiens wäre das Gründungsprojekt Leopolds IV. gescheitert. Im Unterschied zu einem Stift benediktinischer oder kanonikaler Tradition, bei dessen Stiftung bereits die anzustrebende wirtschaftliche Autarkie der Klostergemeinschaft zu berücksichtigen wäre, sind die Dominikaner ein Bettelorden. Wie wörtlich dieses „Betteln“ auch immer genommen wurde – im Mittelalter hatten wir nützliche Privilegien, heute sammeln wir intensiv in den Gottesdiensten – Ziel war auf keinen Fall das Ansammeln großer Reichtümer. Ohne die Hilfe der Menschen um uns herum, denen wir unsere Dienste in Gebet, Seelsorge und Gottesdienst anbieten, konnten wir Dominikaner nie überleben. Auch unter dieser Perspektive ist das Wiener Dominikanerkloster und Konvent von Brüdern ein "Denkmal", nämlich ein Symbol für die Grundlage unseres Daseins in Wien: Über die Menschen, unter denen wir leben und arbeiten, dürfen wir Dominikaner die Verkündigung der Frohen Botschaft Jesu Christi und der Seelsorge für ihr Heil wölben: ein Werk, das nur durch die Hilfe und Unterstützung eben dieser Menschen Bestand hat und zusammenhält.
P. Dr. Wolfram Hoyer OP
hinzufügen eines Dominikaner Wien-stadtplans zu ihrer webseite;
Wir verwenden Cookies und andere Tracking-Technologien, um Ihr Surferlebnis auf unserer Website zu verbessern, Ihnen personalisierte Inhalte und gezielte Anzeigen anzuzeigen, unseren Website-Verkehr zu analysieren und zu verstehen, woher unsere Besucher kommen. Datenschutz-Bestimmungen